Echte Marketer hassen diesen Trick: Wie Sie mit dem Ruinieren von Marken Kohle machen können. Und Karriere.

Identum Blog. Dritter Eintrag:

Sparbuch

Marken sind wie Sparbücher: Man zahlt drauf ein, damit man in schlechten Zeiten davon zehrt. Eine starke, gut geführte Marke hilft dabei, Krisen zu überstehen. Mehr als das: sie lässt die eigene Kundschaft sogar schreckliche Fehler verzeihen. Identum CD Helge Haberzettl erzählt Ihnen heute, wie es Ihnen gelingt, dieses Sparbuch leerzuräumen und dabei auch noch großes Ansehen und Respekt erwerben. (Wie immer an dieser Stelle eine Warnung: Helge neigt zu Polemik. Beschwerden und Behandlungsvorschläge bitte an blog@identum.at)

Schritt 1: Bringen Sie sich in Position.
Die Erbschleicherphase

Ein raketenhafter Aufstieg begann noch nie in einer Rakete. Sondern in einem guten alten Trainingsflugzeug. Auch für eine Karriere als Markenwertruinierer gilt: Fangen Sie klein an. Wichtig ist nur, welches Unternehmen Sie wählen. Garagengepflegt muss es sein. Einen guten Namen muss es haben, ein gutes Image, welches das Unternehmen, für das Sie arbeiten, von den anderen unterscheidet und ihm einen Startvorteil verschafft. Denn um diesen Startvorteil geht es. Den wollen wir im nächsten Schritt einkassieren.

Schritt 2: Reklame statt Werbung.
Das Markensparbuch wird geplündert.

Jetzt geht’s ans Eingemachte, da müssen Sie konsequent sein: Alles, was bisher unternommen wurde, um die Marke zu pflegen, müssen Sie einstampfen. Stattdessen: -20%, Winterreifen gratis, Reise nach Paris gewinnen, Alles muss raus, Neueröffnung, ganz Österreich feiert mit.

Sie dürfen da keine Gnade kennen. Was dann passiert, habe ich schon mehrmals, erste Reihe fußfrei, erlebt: Die Umsätze steigen. Die Zahlen und Kurven kennen nur eine Richtung: Die nach oben.

Warum? Weil die Konsument*innen sich denken: „Oh, XY, das ist ja dieser grundsolide, hervorragend verarbeitende Technologieführer, den ich mir sonst nicht im Traum leisten könnte! Und den gibt es jetzt zum Schnäppchenpreis? Da schlag ich zu!!!!“

In meiner Zeit in Deutschland arbeitete ich in einer Agentur, die einen dieser hervorragend verarbeitenden Technologieführer als Kunden hatte. Sagen wir mal, er stellte Kuckucksuhren her. Richtig gute Kuckucksuhren, von denen sogar Janis Joplin sang. Da gab es zwei Regeln:

Erstens: Niemals den Preis kommunizieren, immer die Marke. Und zweitens: Tag und Nacht die Augen offen halten und auf der Suche sein. Nicht nach einer guten Idee, sondern der Besten. Der Kunde hat uns dazu ermutigt. Und er hat uns dafür gut bezahlt.

Ich denke, dass diese Art der Werbung etwas ausgesagt hat. Nämlich, dass bei diesen Kuckucksuhren sogar die Werbefritzen nach der besten Lösung suchen, nicht nur die Ingenieur*innen. Es hat sich echt angefühlt. Es war echt.

Ok, sagen Sie jetzt, aber was hatte der Uhrenhersteller davon? Ganz einfach: Irgendwann fiel eine Kuckucksuhr bei einem Test um. Riesenskandal. Und was passierte? Nichts. Gar nichts. Der Kuckucksuhrenhersteller entschuldigte sich, räumte einen Fehler ein und machte den Fehler wieder gut. Die Welt verzieh, denn sie hatte durch das Markenerlebnis allen Grund dazu.

Irgendwann während meiner Zeit gab es dann einen neuen Marketingleiter bei den Kuckucksuhren. Der strich die zwei alten Regeln und führte zwei neue ein: Erstens: Der Preis steht im Mittelpunkt, plus ein Angebot. Und zweitens: Wir zahlen euch nicht mehr für die beste Lösung. Eine gute muss reichen.

Und was passierte? Die Umsätze stiegen. Prächtig. Die Zahlen und Kurven kannten nur eine Richtung: Die nach oben. Und der neue Marketingleiter war der Star. Der Mann mit dem goldenen Händchen. Wahnsinn!

Dieser Mann (nennen wir ihn Günther) befolgte exakt Schritt 2 in diesem Absatz. Er plünderte das Markensparbuch.

Schritt 3: Der Absprung.
Rechtzeitig auf zur nächsten Erbtante.

So einen Wunderwuzzi wie Günther, wollte natürlich auch der noch weltbekannte deutsche Pendeluhrhersteller haben, und so wechselte Günther in den Vorstand zu den Pendeluhrherstellern.

Gerade noch rechtzeitig: Bei den Kuckucksuhrenherstellern ereignete sich dann wieder was. Es wurde bekannt, dass die Kuckucksuhrtürchenaufhängung baugleich war mit der eines Billigkonkurrenten. Also wieder Skandal, und diesmal kam der Konzern nicht mehr so leicht davon. Und auch als man sich anschickte, das nach wie vor vorhandene Preispremium durch eine schnelle Imagekampagne zu rechtfertigen – es wollte nicht so recht funktionieren. Es fühlte sich nicht echt an. Es war nicht echt. Aus relevantem Markenerlebnis war oberflächliches und blasiertes Gerede geworden.

Schritt 4: Rinse and Repeat.
Plündern Sie sich nach oben.

Aber da war Günther schon über alle Berge, bei den Pendeluhren. Der Zufall wollte es, dass ein guter Freund als Texter bei der Agentur arbeitete, die den Pendeluhrenherstelleretat hielt. Und der erzählte mir eines Tages: „Pfaa, ur mühsam, ich bin extra wegen des Pendeluhrenetats zu der Agentur gegangen, weißt eh. Und was is? Die haben einen neuen dort. Klare Ansage ist jetzt: Nix mehr gute Werbung, sondern Angebote, Angebote, Angebote.“

Günther hatte zugeschlagen. Er war schon wieder bei Schritt zwei, zog alle Register und plünderte das nächste Sparbuch. Die Pendeluhren verkauften sich prächtig. Vorerst. Bis sich rausstellte, dass die Pendeluhrensoftware manipuliert war, aber das ist eine andere Geschichte.

Günthers Spur verlor ich dann, ich habe meine Freunde ja nicht überall sitzen. Er war wohl irgendwo im Vorstandsolymp eines DAX-Unternehmens angekommen, da passiert dann nichts mehr Schlimmes, karrieremäßig.

Resumee

Ich bin fest davon überzeugt, dass es drauf ankommt, wie wir miteinander reden. Für ein Unternehmen heißt das – trotz aller Umwälzungen in Technologie und Kommunikation – nach wie vor: Ich muss schon sagen, wofür ich stehe. Und wenn ich das nicht tue, stehe ich für nichts.

Und es tut mir wahnsinnig leid: ‚minus 20 Prozent‘ oder ‚ganz Österreich feiert mit‘, das ist halt leider Gottes: Nichts.

Auch wenn es eine Zeitlang funktionieren mag, ist es doch nie nachhaltig. Und auch wenn es die Konkurrenz so macht und Sie das Gefühl haben oder Ihnen eingeredet wird, die Konsument*innen wollten es so: ‚minus 20 Prozent‘ ist nicht alles.

Überlegen Sie sich etwas, was Sie den Konsument*innen wirklich sagen wollen. Etwas, wofür Sie stehen können und wollen. Investieren Sie in diesen Gedanken. Sparen Sie an. Nicht viel, aber stetig. Direkt auf Ihr Markensparbuch.

Und damit es der Nächstbeste nicht gleich plündern kann, überlegen Sie sich um Himmels Willen ein Losungswort. ‚Identum‘ zum Beispiel, nur so als Vorschlag.

13. Nov
Lesedauer 5 Min.